Wählen Sie eine Seite
Schriftgröße +100%-

Erbin fordert Geld zur Grabpflege für sich

GEHRDEN/Verwaltungsgericht: Ruhestätte darf nicht vorzeitig eingeebnet werden

Ohne jede Rücksicht auf den letzten Willen eines älteren Herrn aus Gehrden streitet seine Erbin Eva G. vor dem Verwaltungsgericht um gut 5000 Euro. Diese Summe, die für die Grabpflege auf dem städtischen Friedhof bestimmt ist, beansprucht sie für sich.

Der alte Herr hatte zu Lebzeiten mit einer Friedhofsgärtnerei einen Dauergrabpflegevertrag abgeschlossen. Der Vertrag endet 2012, so dass noch mehr als 5000 Euro vorhanden sind. Mit  dem Geld könne sie etwas Besseres anfangen, meint die Frau aus Bochum. Die Stadt Gehrden solle das Grab einfach einebnen, dann erübrige sich die Pflege. Auf deutliche Signale des Gerichts, auch als Alleinerbin könne sie über die Grabstätte nicht „nach Belieben“ verfügen, zog ihr Anwalt die Klage schließlich zurück. Der 1987 verstorbene alte Herr darf weiterhin in Frieden ruhen.

Wie das Gericht hat auch die Stadt Gehrden eine andere Vorstellung von Pietät als die Erbin – und eine andere Rechtsauffassung. Trotz der Ruhezeit von 25 Jahren, die für den städtischen Friedhof gilt, könne ein Grab vorher eingeebnet werden, erläutert der Anwalt der Stadt, Eckhard David. Das setze aber voraus, dass es nicht so gepflegt wird, wie es die Friedhofssatzung vorsieht. „Wenn die Erben der Aufforderung nicht nachkommen, die Grabstelle in Ordnung zu bringen, kann die Stadt dort Rasen säen“, erklärt der Anwalt. Die Frist für das Nutzungsrecht bleibe aber auch dann gewahrt, wenn sich niemand mehr um das Grab kümmere.
In diesem Fall sieht David aber keinerlei Anlass, an der Ruhestätte etwas zu ändern: Die Landestreuhandstelle für Dauergrabpflege verwalte das Geld aus dem Nachlass des Gehrdeners und habe vor kurzem den Stein neu befestigt. David glaubt auch nicht, dass die Erbin als Rechtsnachfolgerin den Vertrag mit dem Gartenbauunternehmen vorzeitig kündigen könnte. „Das geht unserer Ansicht nach nur, wenn das Unternehmen nicht ordnungsgemäß arbeitet. Sonst wäre das sittenwidrig.“ Entscheidend sei der mutmaßliche Wille des Verstorbenen.

Die Erbin beruft sich darauf, als Rechtsnachfolgerin des alten Herrn auch über dessen Grab frei verügen zu können. „Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet“, heißt es in Artikel 14 des Grundgesetzes.  Dem stehe aber die Verpflichtung zur Totenfürsorge und zur Beachtung der Totenruhe entgegen, betont der Vorsitzende Richter der 1. Kammer, Klaus-Peter Schmidt-Vogt. Diese Verpflichtungen ließen sich aus dem ersten Satz der Grundrechte ableiten: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Das wirtschaftliche Interesse der Erbin, an das Treuhandkonto heranzukommen, rechtfertige folglich nicht die vorzeitige Beendigung des Nutzungsrechts an der Grabstelle.

 

HAZ vom 06.02.2003